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Florence Obrecht
Faire des Picasso - Picassos machen
Julie Crenn
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Im Grunde kommt alles auf uns selbst an. Es ist eine Sonne mit tausend Strahlen im 
Leib. Der Rest ist nichts.
Picasso (1932) – Métamorphose et Unité (Ed. Skira, 1971) Alles beginnt mit einer Formulierung, die ihre siebenjährige Tochter von sich gibt. Sie kommt aus der Schule und erzählt, dass man ihr beigebracht habe, Picassos zu machen. Sowohl in der Schule als auch für sich allein gesprochen werden viele von uns in jedem Alter dazu verleitet, die Werke Picassos zu imitieren : ein Gesicht im Stil des Kubismus, Farbkompositionen, eine markante Linie, eigenartige Figuren. Der spanische Künstler ist in der kollektiven Vorstellungskraft des Okzidents eine unumgängliche Referenz geworden. Picassos machen. Die Formulierung schallt im Geist von Florence Obrecht immer wieder nach und so entscheidet sie sich ihrerseits Picassos zu machen.„Am Anfang ist das Projekt mehr aus einer Begeisterung entstanden als aus der Lust, Picasso um jeden Preis seinen Nimbus zu entreiβen.“ Die Künstlerin macht es nicht wie Picasso, sie imitiert nicht sein Werk. Sie zieht es vielmehr vor, sich von seinen Portraits inspirieren zu lassen, um sie zu bearbeiten, zu transformieren und um ihnen ein neues Gesicht zu verleihen. So werden die Werke Picassos zu einem Spielmaterial um Picassos zu machen. Dazu lädt die Künstlerin Freundinnen ins Atelier ein. Sie bittet sie zunächst, ein Werk Picassos auszuwählen, ein Portrait, mit dem sie sich gerne identifizieren würden. Darauf folgt eine Schminksitzung, bei dem die Farben direkt auf das Gesicht aufgetragen werden. Schlieβlich fotografiert Florence Obrecht das Modell und bildet es mit Öl auf Holz ab.  Seit einigen Jahren malt Florence Obrecht fast ausschlieβlich Frauen. „Ich finde bei ihnen nicht nur ein Alter Ego, sondern unendlich viele andere Ichs. Dadurch projiziere ich mich einfacher in die Persönlichkeit, die sie während des Fotografierens einnehmen.“ Jede Frau bringt sich auf ihre eigene Art und Weise in die Situation ein : das Schminken, die Kostüme, die Pose, die Dekoration ist bei jeder anders. Die endgültige Pose und Erscheinung ist ein Resultat von gemeinsamen Gesprächen, Auswahl und Projektionen. Die Künstlerin gibt den Frauen nichts vor, im Gegenteil, sie heiβt alles willkommen, was die Person in die Situation einzubringen vermag. Wir bezeugen hier also die Umkehrung einer Geschichte, die durch Autorität und Stereotypen gekennzeichnet ist - die Geschichte einer traditionell vorgegebenen Beziehung zwischen dem genialen Künstler und seinem Modell. Florence Obrecht wählt dagegen die Zusammenarbeit, alles geschieht in Gesprächen. Mit den Frauen, die an dieser Reflexion teilnehmen möchten, interpretiert sie die Werke eines Künstlers, der nicht nur genial, sondern auch autoritär ist, ganz neu.     Die Serie Picassos machen kann als ein Ergänzungsstein im Kollektiv neuer Darstellungsformen betrachtet werden. Hier haben wir es weder mit Vorbestimmung zu tun noch mit Unterordnung unter einen Blickwinkel. Jede Passivität in der Pose und im Blick, jeder Zwang und jegliche Unterdrückung bleiben auβen vor. „Ich weiβ nicht, an welchem Punkt ich diesem Künstler, den ich neben anderen Künstlern des 20. Jahrhunderts (unter anderem Bacon, Bourgeois und Kelley) sehr bewundere, eine lange Nase drehe. Die Serie ähnelt einem groβen Streich, den ich zu ernst genommen habe.“ Es ist im Geiste der Freiheit, des Spielens und der Stimmigkeit, mit dem die Künstlerin und die Modelle neue Inkarnationen der Bilder Picassos anfertigen. Sie mischen sich ein in eine Geschichte der Kunst, die sehr lange nicht nur weibliche Künstler weggedrängt hat, sondern auch die kraftvolle und vielfältige Darstellung von unsichtbar gemachten Körpern.
Übersetzung: Kezban Anul
Johanniterstraße 10
10961 Berlin
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